Moraline Quote: Falladas "Der Trinker" als Graphic Novel

Cover: "Hans Fallada, 'Der Trinker'"
Für seine illustrative Übertragung verknüpft Hinrichs den Romanstoff mit biographischen Motiven des Schriftstellers.

Hans Fallada liest doch keiner mehr. Dabei hat der in den 1930er Jahren so erfolgreiche Autor durchaus etwas zu erzählen. Meint auch der Illustrator und Comiczeichner Jakob Hinrichs und hat daraus eine Graphic Novel gemacht: "Hans Fallada, 'Der Trinker'".

Hans Fallada liest doch keiner mehr. Dabei hat der in den 1930er Jahren so erfolgreiche Autor durchaus etwas zu erzählen. Meint auch der Illustrator und Comiczeichner Jakob Hinrichs und hat daraus eine Graphic Novel gemacht: "Hans Fallada, 'Der Trinker'".

Hinrichs Buch erschien bereits im vergangenen Jahr, landete aber erst dieser Tage auf dem Schreibtisch und der Leseliste. Lesen? Sicherlich, aber eben auch Bilder schauen, sehen, betrachten, denn die Comicbrille sitzt uns schon auf der Nase, sobald wir das erste Mal umblättern. Eine Graphic Novel ist halt doppelte Augenarbeit, lesen und gucken, quasi ein gattungstechnischer Silberblick.

Aber warum interessieren "Der Trinker" und Fallada "Auf ein Glas"? Simpel: Weil wir uns moralisch rüsten müssen. Der Blog hat in diesem Jahr nicht einen einzigen Marlene-Mortler-Bonus und keinerlei wine-in-moderation- oder maßvoll-genießen-Punkte eingefahren. So stehen wir jetzt maß- und verantwortungslos da, und das Correctness-Konto des Blogs mahnt abgrundtief leer. Mit moralischem Hintersinn vereinnahmen wir daher die Graphic Novel und wenden die Rezension in eine vorzeigbare und obendrein anregende Präventionsmaßnahme.

Widmen wir uns also mit Jakob Hinrichs dem 1944 geschriebenen, allerdings erst 1950 posthum veröffentlichten "Der Trinker". Für seine illustrative Übertragung verknüpft Hinrichs den Romanstoff mit biographischen Motiven des Schriftstellers. Er mixt also Hans Fallada und Erwin Sommer – so der Name des Romanprotagonisten – zusammen, und füllt dies in Strich und Farben seiner Comicbilder ab. Fallada war Zeit seines erwachsenen Lebens Alkohol- und/oder Morphin-Abhängiger, ohne die abstinenten Etappen verschweigen zu wollen. Dieser Art ergießt sich sein persönliches Scheitern in ruinöser Sucht in das Scheitern der Romanfigur Erwin Sommer und beide Geschichte fügt Hinrichs zum dramatischen Delirium zusammen.

Und die Moral von der Geschicht?

Zwar lassen die Bilder des doppelten Niedergangs – den Sommers und den Falladas – einen staunen, aber kaum mitleiden. Zu klinisch-sozial der Plot, zu expressiv und drastisch die Zeichnungen, so dass die Trinker-Karriere erschreckend zwangsläufig im komatösen Nirwana ersäuft. Das sollte Marlene Mortler gefallen, hicks.

Das eigentlich Depressive der Geschichte, droht an anderer, unsichtbarer Stelle. Es besteht weder im traurigen Ende der handelnden, also nur noch trinkenden Personen, noch in der mageren Moral von der Geschicht. Es ist schlichtweg die absolute Abwesenheit des Genießens! Im Roman und in der Graphic Novel schmeckt kein Drink mehr, jeder Schluck wirkt nur noch depravierend. Es gibt auch keine Spirituosengattungen, keine Ausnahmejahrgänge, keine sensorischen Qualitäten mehr: Der berauschende Alkohol ist nur noch Suchtsubstanz.

Unterschlagen(d)e Genusstrinker

In der Konsequenz unterschlägt die Geschichte die Mitschuld des Genießens an der Sucht. Und Unterschlagung ist ein Straftatbestand, auf den sich sowohl Fallada als auch Sommer verstanden. Es gibt keinen harmlosen Flirt mit der Königin Alkohol, keine anfänglich schönen Momente des Rausches. Erwin Sommer wird sozusagen ad hoc, innerhalb nur weniger Tage zum krankhaften Trinker. Doch im deutschen 21. Jahrhundert steht selten die Not am Anfang der Sucht, so neu-sachlich ist es längst nicht mehr. Es ist oft die pure Lust, mitunter mit Kennerschaft gemengt, die den ersten, unscheinbaren Schritt in Richtung Sucht macht. Das kann ein Roman aus dem 20. Jahrhundert nicht wissen, eine Graphic Novel aus dem vergangenen Jahr, die sich mit bewusster Geste für eine Aktualisierung des Stoffs entscheidet, allerdings schon.

Genug des Moralin! Schließlich ist die Mortler-itäts-Rate inzwischen erfüllt. Die Frage nach der unterschlagen(d)en Mitschuld des Genießens bleibt aber offen. Für ein reumütiges Nacharbeiten empfiehlt "Auf ein Glas" einen ausbalancierten, eleganten Rotwein mit ausreichend Komplexität und:

Jakob Hinrichs, "Hans Fallada, 'Der Trinker'",
Graphic Novel, Metrolit Verlag, 2015
Mehr über das Buch auf der Website des Verlags.


Noch eine Leseempfehlung

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Michael Stolzke/Auf ein Glas

Doppelseite aus der Graphic Novel
Fallada war Zeit seines erwachsenen Lebens Alkohol- und/oder Morphin-Abhängiger, ohne die abstinenten Etappen verschweigen zu wollen. Dieser Art ergießt sich sein persönliches Scheitern in ruinöser Sucht in das Scheitern der Romanfigur Erwin Sommer und beide Geschichte fügt Hinrichs zum dramatischen Delirium zusammen.