Noch ein Gin: Oder die Kunst, die Flasche aufzubekommen, um zu verkosten
Es gibt schon einige Gins auf dem Markt. Auch zahlreiche deutsche, darunter viele, die auf ihre regionale Abstammung Wert legen. Das gehört sich mittlerweile fast so. Selbst in der schönen Hansestadt Hamburg finden sich gleich mehrere heimische Wacholder-Kreationen auf der Spirituosenkarte. Man denke nur an Gin Sul, Clockers Gin, an Weisswange ... Nun also noch ein Gin?
Allerdings: Luv&Lee. "Ein Hanseatic Dry Gin", der seine norddeutschen Botanicals herausstellt und selbstbewusst sensorische Anleihen vom Aquavit nimmt. Das klingt nach Konzept und Entschlossenheit – und viel Herzblut, wie die beiden Macher des Projekts betonen. In der Heinr. von Have Spirituosenmanufaktur, einer der traditionsreichsten Destillen der Stadt, fand Christian Heck den kongenialen Partner für seinen Luv&Lee. Gemeinsam mit Christoph von Have machte sich der Ex-Pernod Ricard-Mann Heck daran, beispielsweise das ihm so wichtige Sylter Meeressalz auf die richtige Art in den Gin zu bekommen. Nur ein Grund, warum „Auf ein Glas“ bei Christian Heck nachgefragt hat, was es sonst noch mit dem Luv&Lee auf sich hat.
Herr Heck, wieviel Mut erfordert es eigentlich, 2017 noch einen weiteren, regional definierten Gin auf den Markt zu bringen? Haben Sie keine Furcht vor dem immensen Wettbewerb?
Mir ging es in der nunmehr zweiten Lebenshälfte um Selbstverwirklichung. Dafür brauchte ich weder Mut, noch hatte ich Furcht. Was ich habe: Freude! Auch und gerade über den raschen Erfolg. Am Rande: Natürlich haben viele Freunde gewarnt, den x-ten Gin zu machen. Aber wissen Sie was? Wären Ratschläge wie diese immer befolgt worden, hätten wir heute ein Bier, einen Käse, eine Sorte Brot…
Warum musste es ein „Hanseatic Dry Gin“ sein, der neben den klassischen Botanicals auch am Aquavit geschmackliche Anlehnung sucht? Wie sind Sie auf die DNA von Luv&Lee gekommen?
Ich bin ein Kind des Nordens – und das soll mein Gin auch ausdrücken. Ein nordischeres Getränk als Aquavit fiel und fällt mir nicht ein. Darüber hinaus denke ich bei „nordisch“ an die Hansestädte und an die friesischen Inseln. Gedacht, getan: Botanicals wie Kümmel, Sternanis und Sylter Meersalz machen meinen Gin unverwechselbar – und brachten wenigstens zum Zeitpunkt des Starts DAS Alleinstellungsmerkmal. Für mich ganz entscheidend.
Wie haben wir uns das mit dem Sylter Meeressalz vorzustellen? Gab es da internationale Anregungen wie beispielsweise vom Berea Ocean Gin, der Salzwasser und Zuckertang zu seinen „Botanicals“ zählt?
Berea Ocean Gin kenne ich leider gar nicht, sorry. Nein: Das Salz als Sylter Produkt unterstreicht den regionalen Bezug. Und passt einfach wunderbar. Das Salz wird während des Herstellungsprozesses als Flocke, als sogenannte Meersalzflocke, hinzugegeben. In exakt definierter Menge. Und das schmecken Sie auch.
Auf den ersten Blick scheint die Rollenverteilung zwischen den Personen Christian Heck und Christoph von Have klar. Erzählen Sie uns etwas über diese „Beziehungsgeschichte“ und die Entwicklung von Luv&Lee?
Klar! Die von Christoph geleitete Heinr. von Have Spirituosenmanufaktur stellt seit 1886 Spirituosen her, sie ist damit Hamburgs älteste Spirituosen-Manufaktur in Familienbesitz. Und der ideale Partner für mich! Kompetenz, Wissen und Erfahrung – uneinholbar. Dass Christoph und ich Partner werden würden, war überhaupt nicht vorhersehbar. Aber in den Gesprächen, in denen meine Ideen reiften, wuchs sein Interesse. Allein das Salz – Christoph kannte diese Kombination so auch nicht, hielt sie aber für spannend und machbar. Zum guten Schluss wurden wir Partner – und heute sage ich, etwas Besseres hätte Luv&Lee und mir nicht passieren können.
Zur Entwicklung: Ich könnte jetzt ganz weit ausholen, denke aber, die Kurzfassung tut’s auch: Unzählige Gespräche, Verkostungen in zum Teil großen zeitlichen Abständen, beständiges Hinterfragen auch der Bezugsquellen für die Inhaltsstoffe – Stichwort Nachhaltigkeit und Verantwortung – führten nach vielen Monaten zum Ergebnis.
Wie reagieren denn Groß- und Fachhändler, Online-Shops und Gastronomen, wenn Sie Luv&Lee vorstellen? Gibt es noch offene Ohren für eine neue Gin-Marke?
Offene Ohren? Nein. Die Reaktionen? Katastrophe. Ernsthaft: Einstimmig „nicht noch ein Gin“. Die Kunst, wenn Sie so wollen, besteht darin, egal ob in der Gastronomie oder im Fachhandel, die Flasche aufzubekommen und Luv&Lee verkosten zu lassen. Die Gesichter, die sofort Erstaunen, Überraschung und Anerkennung verraten, begeistern mich immer wieder. Also: Haut das mit der Verkostung hin, ist der Gin auch gelistet. Das ist so. Und daraus ziehe ich den Spaß, meine Motivation, meine Lebensfreude, also, wie ich eingangs sagte: meine Selbstverwirklichung.
Bei den diesjährigen International Spirits Awards des Meininger Verlages erhielt Luv&Lee eine Gold-Medaille. Was bedeutet solch eine Auszeichnung für eine neue Spirituose? Mit Blick auf die Endkonsumenten, aber auch auf die Handelspartner?
Ich kann Ihnen sagen, wem das wichtig ist: Mir! Nach so kurzer Zeit zwischen Entwicklung und Abfüllung/Vertrieb eine Goldmedaille zu bekommen, ist einfach der Hammer und macht mich stolz. Wichtig ist es für den Endkonsumenten, weil Auszeichnungen immer eine wichtige Orientierungshilfe sind. Für den Handelspartner natürlich auch.
Ich kann Ihnen aber auch sagen, wem so eine Auszeichnung vollkommen egal ist: dem klassischen Bartender nämlich. Der verlässt sich ausschließlich auf seine Nase, seinen Geschmack, sein Gespür. Aber auch den kriege ich – über die schon erwähnte Verkostung. Es ist ja zweierlei: Meinen Gin in jeder Blindverkostung selbst erkennen zu können, hundertprozentig, oder aber festzustellen, dass meine Beschreibung des Geschmackes nachvollzogen und bestätigt wird, zum Beispiel von den Bartendern. Die bemerkenswerte Milde, die klaren Aquavit-Noten, der unerwartete Salzgeschmack.
Wie sieht die weitere Karriereplanung für Luv&Lee aus? An was arbeiten Sie aktuell?
Da werden Sie sich überraschen lassen müssen. Nur so viel: es gibt ein spannendes Projekt… Und ich freue mich auf das nächste Interview!
Zum Schluss persönlich nachgefragt: Ihre Empfehlung für den perfekten Luv&Lee-Genuss lautet?
Persönlich trinke ich Luv&Lee am liebsten pur und leicht gekühlt, aber ohne Eis. So verwässert der Gin nicht und das volle Aroma entfaltet sich. Am allerbesten schmeckt er mir auf meiner Lieblingsinsel Norderney, mit einer frischen Brise Seewind um die Nase! Natürlich kann man Luv&Lee auch auf Eis servieren, ein leichtes Tonic Water dazu geben, getrocknete Zitronenscheiben oder Lemongrass. Man sollte nur aufpassen, dass man den sehr eigenständigen Geschmack nicht zu sehr überlagert.
Michael Stolzke/Auf ein Glas
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