GARGANTUA – der Podcast mit Hochkultur und Promille

GARGANTUA: Arno Schmidt & Steinhäger

Endlich ein Podcast über Literatur und Alkohol. Klingt schräg und ist es auch. Denn es geht laut Selbstbeschreibung von GARGANTUA: Gespräche über Geist & Getränke um die „Querstreben“ die Worte und Promille verbinden.

Es geht nicht einfach darum, dass auch Autorinnen und Autoren Alkohol trinken oder gar davon abhängig waren, sondern vielmehr darum, was und wie sie die Getränke in ihren Werken beschreiben, verdammen oder loben, und mitunter mit poetischen Metaphern oder gar mit der Struktur ihrer Werke in Verbindung bringen. Zugleich erzählen die konkreten Spirituosen ihre eigenen Geschichten, die ihrer Geschmacksprofile, Herstellung und Herkunft, die nicht selten mit politischen Umständen und historischen Entwicklungen zusammenhängen. So informativ dies ist, so wenig trocken werden die Geschichten im munteren Dialog erzählt. 

Zur Versuchsanordnung von GARGANTUA gehören die Verkostung jeweiliger Spirituosen, die in den Werken vorkommen oder zu ihnen passen. Einführende Bemerkungen zu Autor und Werk werden von Lesungen ausgewählter Zitate begleitet. Die beiden Podcaster diskutieren und stellen Zusammenhänge her, die so manches in ganz neuem Licht sehen lassen. 

 

Literatur & Alkohol: Matthias & Michael

Für den Podcast haben sich zwei zusammengetan, die sich schon lange kennen und im Austausch über Literatur geübt sind. Sie haben gemeinsam studiert, gewohnt, gereist und gelesen, auch geschrieben und veröffentlicht. Prof. Dr. Matthias Bickenbach lehrt Literaturwissenschaft an der Uni Köln und Michael Stolzke verdient sein Geld mit Worten über Weine und Spirituosen. Die Idee für den Podcast lag da nahe. Fachwissen und Fachwissen verpackt in zuweilen feucht-fröhliche Plaudereien, in denen nicht der Konsum von Alkohol an sich, sondern stets ein Getränk sowie seine Beziehung zu einem Literaturstück oder einem Autor und nicht zuletzt sein Geschmack im Vordergrund stehen. Genau so gehen die beiden mit den Worten der literarischen Texte um. Die Zitate werden regelrecht genossen und einzelne Formulierungen und Worte gefeiert oder kritisch, mitunter launisch, kommentiert. So entsteht eine alternative Literaturgeschichte, die viel Kritisches auch über den Alkohol zu berichten weiß, aber stets den Genuss von Literatur und den maßvollen Geschmackserlebnis von Spirituosen empfiehlt.

GARGANTUA ist kein kommerzielles Projekt. Vielmehr geht es um Muße und die Lust am Lesen und Nachdenken, am Genießen und noch einmal Nachdenken. Und es geht um die Vorlieben der beiden, die dieses Vorrecht ganz ohne Kalkül auch in Zukunft ausüben wollen.

Die erste Folge von GARGANTUA – Gespräche über Geist und Getränke geht bereits im Mai 2021 online. Bis zum September 2022 folgen in lockerer Reihenfolge 13 weitere Podcasts, die allesamt über die gängigen Plattformen oder über die Website des Podcast abrufbar sind. Inzwischen gibt es auch einen Instagram-Account, der die passenden Bilder zum gesprochenen Wort des Podcast liefert: @gargantuapod. So muss das wohl heutzutage sein.
 

Getränkekarte & eigenwilliger Kanon: podcast in progress

Podcasts über Unterhaltungsliteratur, Autorinnen und Autoren sowie über Wein und Spirituosen gibt es viele. GARGANTUA aber hält sich nicht an die Regeln und Schubladen, sondern steigt ein, wo sich interessante Zusammenhänge ergeben. Ob Rum und Sklaverei oder Whisky bei Arno Schmidt, Genever in Thomas Manns „Zauberberg“, Cherry Brandy in Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ oder Punsch bei E.T.A. Hoffmann. Da treten plötzlich Schwergewichte wie der legendäre Wein Yquem auf, aber nicht der Mythos interessiert, sondern die Feier seines Geschmacks in den Worten des bedeutenden Philosophen Michel Serres. So etwas findet man noch nicht einmal in der Fachliteratur, weder beim Wein noch in der Literaturwissenschaft oder Philosophie.

Mittlerweile lassen sich die Eigenwilligkeiten des Podcast genauer fassen. Arno Schmidt und Thomas Pynchon scheinen auf der ewigen Bücherliste ganz weit oben zu stehen sowie E.T.A. Hoffmann im Besonderen, den der Podcast zu einem seiner „Säulenheiligen“ ausruft. Natürlich geht viel um deutsches Dichtwerk auch um die großen Namen Goethe, Jean Paul, Gerhart Hauptmann oder die Brüder Heinrich und Thomas Mann. Aber auch Internationales kommt auf das Lesepult: Ernest Hemingway und Thomas Pynchon, für den die beiden vehement den Literaturnobelpreis einfordern. Bleibt abzuwarten, was dieses Wurzelwerk aus Ethanol und Geistesleben in Zukunft noch zu Tage fördern wird. 

Getrunken wird genauso quer durch die Bank. Ein Blick ins Spirituosenarchiv bringt Preziosen wie Cherry Brandy oder Steinhäger zum Vorschein, aber auch vor einem Großen Gewächs und einem Whisky machen Matthias und Michael nicht halt. Thematisches Trinken kann auch heißen Craft Beer oder Jägermeister, den die beiden in ihrer Sendung über Wilhelm Busch mit der Veuve Clicquot zusammenbringen, eine wirklich schräge Kombination, die der Paarung von Wilhelm Buschs „Die fromme Helene“ und Hans Falladas „Der Trinker“ entspricht. Wie diese eigenwillige Getränkekarte mit den jeweils ausgewählten Literaturstücken korrespondiert, das macht den eigentlichen Reiz der Podcasts aus. 

Geistreiches Blending: gewöhnungsbedürftig gut

Das ganz große Publikum wird „GARGANTUA“ wohl nicht finden. Dafür ist das Format zu eigenwillig, vielleicht auch zu informationsreich. Aber nur auf den ersten Blick, denn schnell hört man sich in den Plauderton mit Besserwisser-Attitüde ein und weiß die Details und Verknüpfungen wie einen guten Rum am Abend zu schätzen. Mit Spaß am Zuhören und vielen, zu mehr Literatur und gutem Alkohol inspirierenden Momenten. Die Tonqualität ist hervorragend, gelegentlich wird mit Geräuschen gespielt und die Lesungen der Zitate werden so zelebriert, dass sie einem Hörbuch gleichkommen.

Am besten selber reinhören, denn dieser Blog ist so voreingenommen, dass er Matthias und Michael samt ihrem „GARGANTUA“ bei „Auf ein Glas“ gleich digitales Asyl eingeräumt hat. Deshalb auch mehr über den Podcast in Zukunft an dieser Stelle.
 

Redaktion/Auf ein Glas