Technologie statt Fasslagerung: Wenn Spirituosen schneller alt werden

Das Schaf von Boilerrum

Im Gespräch mit Deniz Quick über den ersten technologisch gealterten Rum – Boilerrum – und das dahinter steckende Verfahren.

Herkunft, Destillerie sowie die Art und Dauer der Fassreife, mit diesem Dreiklang beschäftigt sich der Liebhaber feiner Spirituosen, wenn es um die Wahl des richtig guten Brands geht. Dabei spielen vor allem die immer aufwändigeren Mühen der Reife im Fass eine entscheidende Rolle bei der Festlegung des Preises. Ist doch einleuchtend, wenn der bessere, ältere Whisky oder Cognac mehr kostet als sein jüngerer Weggefährte? Selbst wenn neuerdings die No-Age-Whiskys versuchen an dieser Konstante zu rütteln, bleibt die Alters-Preis-Bindung für den Spirituosensektor essentiell.

Verlockend also die Idee, Spirituosen auf anderem Wege schneller reifen zu lassen. Schließlich gilt bei der Reife gleich im doppelten Sinne: Zeit ist Geld. Einerseits kostet die längere Lagerung Geld, bindet sie Kapital, andererseits erzielen „die Alten“ die deutlich höheren Preise. Zeit und Geld sparen bei der Reife, aber dennoch höhere Preise für gealterte Whiskys und Cognacs kassieren, das käme der Quadratur des Kreises nahe.

Im hessischen Mörlenbach hat man sich daran gemacht, genau dies zu versuchen, und mit „Boilerrum“ den ersten technologisch gealterten Rum auf den Markt gebracht. Grund genug, einmal nachzufragen

Herr Quick, wir könnten jetzt auch über Gin und Rum reden, oder? Erzählen Sie uns etwas über den „Boilerrum“?

Nunja, der Boilerrum ist die erste technologisch gealterte Spirituose der Welt. Die Milde unseres Rums würde ich als Besonderheit bezeichnen. Ich habe noch keinen vergleichsweise milden Rum getrunken. Außerdem ist von der Flasche über den Korken bis zum Destillat alles Made in Germany. Keinen Einsatz von Zuckerkulör. Keine künstlichen Zusatz- oder Aromastoffe.

Alternativ könnten wir auch über Bars und Cocktails philosophieren, schließlich haben Sie schon erfolgreich an Cocktail-Competitions teilgenommen. Mittlerweile stehen Sie aber lieber in der Destillerie als hinter der Bar. Wie ist es dazu gekommen?

Eigentlich waren es nur zwei Cocktailwettbewerbe. Den ersten mit Havanna Edition Talento in Nürnberg vor zwei Jahren konnte ich nicht ganz so erfolgreich abschließen. Damals hat es nur für den dritten Platz gereicht und ich hatte eigentlich keinen Anreiz mehr an so einem Wettbewerb teilzunehmen.

Der Wettbewerb für Amaro Montenegro wurde mir dann jedoch mehrmals von meinen ehemaligen Chefs unterbreitet :-D Der Gewinn von 2500 Euro lockte mich dann doch. Eigentlich kaum zu glauben, dass ich meinen Gewinnerdrink „Queens Cetriolo“ wirklich nur 1-mal gemixt habe, bevor ich ihn eingereicht habe. Das nennt man wohl die Nadel im Heuhaufen finden.

Durch meine Vertiefung der Branntweinherstellung im Bachelor meines Chemieingenieurwesenstudiums in Karlsruhe konnte ich die Idee für die technologische Alterung von Spirituosen aufschnappen. Leider gab es während meines Studiums nicht die Möglichkeit das Projekt weiter zu verfolgen. Während meiner Bachelorarbeit traf ich Marcel Gassert, meinen heutigen Geschäftspartner. Ich würde Ihn als Aromavirtuosen und Genie in der technischen Verfahrensumsetzung beschreiben. Ich hatte die theoretische Idee, mit ihm konnten wir die Theorie in die Praxis umsetzen.

 

Den „Boilerrum“ verstehen wir als Rum auch in eigener Sache. Mit dieser Spirituose wollen Sie aufzeigen, was Ihr Verfahren für eine beschleunigte Reife von Spirits zu leisten vermag. Erklären Sie uns, was es mit der ersten „technologisch gealterten“ Spirituose auf sich hat?

Naja im Endeffekt machen wir das Gleiche wie auch bei der herkömmlichen Fasslagerung, nur in einem Bruchteil der Zeit. Wir optimieren alle Prozesse, die auch bei der üblichen Fasslagerung stattfinden.

Nun sind Sie nicht der erste, der sich daran versucht. An der Universität von Cádiz lässt man Brandy mit Hilfe von eingesetzten Holzchips und Ultraschall schneller reifen. In den USA gibt es Ansätze, die dies mit Sauerstoff und Ultraschall versuchen. Andere sorgen per Druck für einen schnelleren und stärkeren Austausch mit dem Holzfass. Geht es auch bei Ihrem Verfahren um Licht, Druck und Filtration?

Was wir im Detail tun, bleibt vorerst noch unser Betriebsgeheimnis. Ich kann nur soviel sagen: Man muss sich die einzelnen chemischen Vorgänge des Prozesses anschauen und sie verstehen. Wenn man die Prozesse verstanden hat, lässt sich jeder Prozess mit der Verfahrenstechnik optimieren.

Sie kommen dabei ohne künstliche Zusatzstoffe aus?

Absolut. Wie auch bei der herkömmlichen Fasslagerung kommen wir ohne den Einsatz von künstlichen Zusatz- oder Aromastoffen aus. Wir verzichten sogar auf den Einsatz von Zuckerkulör, was in der Rumindustrie eigentlich schon Gang und Gebe ist.

Und die Stabilität der gealterten Spirituose ist auch gewährleistet? Es handelt sich also um einen nachhaltigen Effekt?

Der Prozess ist irreversibel. Das bedeutet, ohne den Einsatz von Energie ist der Prozess nicht umkehrbar.

Jetzt mal ganz konkret: Wenn Sie einen jungen Whisky erhalten, der wie eine zwölf Jahre gereifte Qualität schmecken soll, wie schnell können Sie den Whisky altern lassen? Wie lange müssen wir auf das Ergebnis warten?

Wir haben in der Praxis noch keinen Whisky umgesetzt. Dennoch lässt sich unser Verfahren theoretisch von Rum auf Whisky nahezu gleich übertragen. Sie können ungefähr mit dem Faktor 365 kalkulieren. Also zwölf Tage.

Wenn das Verfahren hält, was Sie uns versprechen, kommt das einem Erdbeben in der Spirituosenbranche gleich. Die Länge der Fassreife ist doch gerade bei Whisky, aber auch Cognac und Rum ein wesentliches Merkmal für die Preisstellung. Vernichtet ihr technologische Alterung das Kapital der großen Lagerhäuser?

Absolut nicht. Wir haben keinesfalls vor die Fasslagerung auszulöschen. Es gibt Faktoren, die wir aktuell noch nicht „klonen“ können. Stellen Sie sich zum Beispiel einen super leckeren Single Malt vor. Dort spielen beispielsweise auch äußere Bedingungen wie die Luftfeuchtigkeit der Umgebung eine entscheidende Rolle. Jedoch gibt es unserer Meinung sehr viele schwarze Schafe auf dem Markt, die Ihrem Rum eine Altersangabe geben, die weit weg von der Realität liegt. Hier wird auch immer viel mit Zuckerkulör und künstlichen Aromen gearbeitet.
Wir investieren dagegen die Kosten für die Lagerung in die Produktqualität.

Andererseits schreiben die Regularien in Schottland, den USA und anderswo genau vor, wie lange die Spirituose im Fass lagern muss, um die geschützte Herkunftsbezeichnung verwenden zu dürfen. Bremst Sie das aus? Oder sehen Sie eher in den No Age-Whiskys die passendere Parallele?

Ich denke wir bieten eine Alternative mit einem einzigartigen Preis-Leistungs-Verhältnis. Unser Aged Rum ist extrem mild und sehr ausgewogen in seinem Geschmacksbild. Gerade für Einsteiger ist unser Rum ein Must-Have. Unser Boilerrum White ist zwar auch mild aber dennoch äußerst aromatisch. Es ist fast kaum zu glauben, dass der Rum aus reinem Zuckerrohrdestillat besteht.

Haben Sie schon entsprechende Anfragen seitens der Spirituosenhersteller erhalten? Wie sieht das Geschäftsmodell hinter dem Reife-Verfahren aus?

Unser Ziel ist es eigentlich, den Menschen zu zeigen, was heutzutage durch Technologie auch bei Spirituosen möglich ist. In jedem Bereich spielt die Technologie doch eigentlich eine entscheidende Rolle. Wieso sollte nur die Fasslagerung von Spirituosen bis in alle Ewigkeit gleich bleiben?

Unser Geschäftsmodell sieht aktuell keine Inkubatoren vor. Natürlich sind wir Angeboten nicht im Generellen abgeneigt, jedoch planen wir nicht das Verfahren, das Produkt oder die Idee zu verkaufen.

 

Öffnet externen Link im aktuellen FensterMehr über Boilerrum findet sich auf der Website der Rummarke.

 

Michael Stolzke/Auf ein Glas