Mit Biodynamie die Ausdruckskraft der Lagen verstärken: der Südtiroler Winzer Alois Lageder

"Es gibt keinen biodynamischen Weinbau, sondern nur eine biodynamische Landwirtschaft." © Alois Lageder

Die Weine des Südtiroler Weinguts sprechen für sich selbst. Ihre Eleganz und Ausgewogenheit verdanken sich Region und Lage ebenso wie den biodynamischen Prinzipien von Alois Lageder. Ein Gespräch über lang gereifte Weine und die Veränderungen in der Zukunft.

Die Weine des Südtiroler Weinguts sprechen für sich selbst. Ihre Eleganz und Ausgewogenheit verdanken sich Region und Lage ebenso wie den biodynamischen Prinzipien von Alois Lageder. Ein Gespräch über lang gereifte Weine und die Veränderungen in der Zukunft.

Herr Lageder, Sie sind im positiven Sinne ein sehr umtriebiger Mensch. Wenn man sieht, was Sie alles tun als Unternehmer, Landwirt, Winzer, Denker, weiß man gar nicht, wie man sie beruflich auf den Begriff bringen soll. Welche Berufsbezeichnung nehmen Sie denn selbst für sich in Anspruch?

Ich bezeichne mich als einen landwirtschaftlichen Unternehmer, da für mich die Landwirtschaft wichtig ist, aber eben auch das Unternehmertum.

Dass ihre Arbeit als Winzer hervorgehoben wird, ist Ihnen nicht wichtig?

Nein eigentlich nicht. Zwar ist das Weingut die wichtigste Unternehmung, aber in einer ganzheitlichen Sicht ist die Einschränkung auf eine Kultur falsch. Es gibt keinen biodynamischen Weinbau, sondern nur eine biodynamische Landwirtschaft.

Weine, die Freude bereiten

Wein ist Kultur, heißt es, wie viel Kultur aus Südtirol schmeckt man in Ihren Weinen?

Wir als Weinbauern versuchen natürlich, die Besonderheiten unserer Lagen in den Weinen wiederzufinden. Da spielen der Boden und das Klima eine wesentliche Rolle. In dieser Hinsicht haben wir in Südtirol ideale Voraussetzungen, um elegante Weine zu keltern. Wir haben heiße Tage und kühle Nächte und gewinnen so die nötige Ausgewogenheit zwischen vollen, reifen Trauben und aromatischen Buketts. Diese Ausdruckskraft der Lage wird durch die Biodynamie noch verstärkt, weil sie Qualität eben auch über den konkreten Ort definiert. Sie zielt darauf ab, das Beste aus diesem Boden, diesen Reben bei diesen klimatischen Bedingungen zu holen. Mehr Südtirol geht gar nicht.

Wir wollen aber auch, sagen wir, besonders trinkbare Weine machen. Was ich damit meine ist, ich verwehre mich dieser Tendenz der vergangenen zehn, fünfzehn Jahre, nach der Qualität mit diesen wuchtigen, opulenten, alkoholbetonten Weinen gleichgesetzt wurde. Das sind sicherlich tolle Weine für Kritiker und Weinführer, aber eben nicht für den Weingenuss. Wir haben als Erzeuger die Verantwortung, Produkte anzubieten, die dem Verbraucher gut tun, die ihm aber auch Freude bereiten und die er versteht.

Herr Lageder, bei dieser Suche nach Eleganz und Ausgewogenheit, wie Sie es nennen, verlassen Sie sich mehr auf das Schmecken oder das Denken, mehr auf den Geschmack oder den Verstand?

Es braucht selbstverständlich beides, selbst wenn heute sich vielleicht zu viele Winzer auf die rein analytischen Daten stützen. Ein Wein wird zuerst im Kopf geboren. Anschließend entwickelt man eine Vorstellung, welchen Wein und wie man ihn erzeugen möchte. Erst dann kommen die Methoden und Mittel ins Spiel, um die Trauben zu erzeugen und den Wein zu keltern. Dazu zählt dann auch das Verkosten.

Dies gilt um so mehr für die Konsumenten. Sie sollten sich auf den eigenen Geschmack verlassen und weniger auf die Weinführer und die Bewertungen hören. Die Weine sollte der Konsument probieren, sie schmecken und spüren können, um zu wissen, ob es der richtige Wein für ihn selbst ist. Die Weinführer mit ihren Bewertungen sind eine wichtige Informationsquelle, aber sie können die persönliche Wahrnehmung eines Weines nicht ersetzen.

Mit Sensibilität die Weine auswählen

Wenn sinnlicher Genuss glücklich macht, der von Wein insbesondere, wie sieht dann der Weintrinker aus, den ihre Weine glücklich machen?

Ich hoffe Menschen anzusprechen, die eine gewisse Sensibilität haben, die spüren, welche positive Energie wir durch die biodynamische Wirtschaftsweise in die Weine bringen. Ich will nicht Weine für jedermann erzeugen oder für jeden Geschmack. Ich wünsche mir Weintrinker, die aus dem Unbewussten schöpfen und mit Sensibilität auswählen, welche Weine ihnen munden.

Noch einmal zum Handwerk. Unterschiedliche Rebsorten in unterschiedlichen Lagen, Mikroklimata, die von Jahr zu Jahr variieren. Herr Lageder, wann hatten Sie das Gefühl, alle diese Faktoren im Griff zu haben? Wann waren Sie erfahren und souverän genug, dies in Ihre Vorstellung der Weine einzubringen?

Je länger ich mich mit der biodynamischen Wirtschaftsweise beschäftige, desto mehr wird mir bewusst, dass wir erst am Anfang einer spannenden Entwicklung über Generationen stehen. Ich beschäftige mich seit Jahren mit der Biodynamie und mit der Anthroposophie Rudolf Steiners. Bei beiden sehe ich, welche Möglichkeiten, welch neue Welten sich eröffnen, aber auch, dass wir noch lange nicht dort sind, wo wir hin wollen.

Wenn ich beurteile, was wir mit der Biodynamie schon erreicht haben, indem wir die Natur sich entfalten lassen, ahne ich, was noch alles möglich ist. Ich bin glücklich über das Erreichte, empfinde aber auch einen starken Ansporn, den Weg weiter zu beschreiten.

Welche Weine aus Ihrem Sortiment drücken diese Einstellung am besten aus? Welche Weine lassen uns das schmecken?

Ich glaube grundsätzlich immer die Weine aus den ältesten Reben. Diese Reben bringen Weine von einer ganz besonderen Harmonie hervor. Da bekommt man Gänsehaut beim Verkosten, diese Weine haben einfach noch mal eine andere Dimension. Deshalb sollten Winzer ihre alten Weinberge, insofern sie noch mit genügend Reben bestückt sind und akzeptable Erträge bringen, unbedingt bewahren, weil diese die spannendsten und schönsten Weine hervorbringen.

Tradition ist eine Art Wissensspeicher

Mal eine gewagte Analogie, dies gilt auch für Winzerfamilien? Immerhin macht das Ihre Familie in der fünften Generation.

Ja, ich glaube schon. Das ist meine Vorstellung von Tradition, welche auf die Erfahrungen und Erkenntnisse vorhergehender Generationen aufbaut, diese weiterentwickelt und an die nächste Generation weiterreicht. Es ist ein Fehler, Tradition als etwas Starres, Festes zu begreifen. Sie ist zwar eine Art Wissensspeicher, doch ist sie als ein Ausgangspunkt zu begreifen. Es braucht die Offenheit für Weiterentwicklung, schließlich verändern sich auch die Gegebenheiten. Nehmen Sie nur den Klimawandel und die Erwärmung der Erde – da reicht es eben nicht, als Weinbauer an der Tradition festzuhalten. Dieses Klimachaos wird uns in den kommenden Jahrzehnten noch vor riesige Herausforderungen stellen, die wir nicht ohne neue Wege und Ansätze werden bewältigen können.

Wie sehen denn die Weine aus, die ihre Enkel machen werden?

Die Frage ist schwierig zu beantworten, aber ich denke, dass die Familie weiter daran arbeiten wird, die Idee des eigenen Mikrokosmos in unserem landwirtschaftlichem Betrieb konsequent umzusetzen – den Hoforganismus ganz im Sinne Rudolf Steiners. Also weg von den Monokulturen, hin zu einer großen Biodiversität, auch in der Fauna durch die eigene Tierhaltung. Das sind die Voraussetzungen, um auf lange Sicht besonders gesunde und besonders widerstandsfähige Pflanzen zu erziehen. Und solche Eigenschaften bei den Reben werden meine Enkel benötigen, wenn sie angesichts des Klimawandels in 50 Jahren Weine mit der gleichen Stilistik erzeugen wollen wie heute.

Dazu reichen robustere Pflanzen und Polykultur?

Nein, nicht allein. In Südtirol haben wir das Glück, unsere Weingärten weiter in die Höhe zu verlagern. Wenn wir heute Rebstöcke in bis zu 1 000 Meter Höhe kultivieren, dann können wir in 50 Jahren wahrscheinlich Trauben auf 1200, 1300 Metern zur Vollreife bringen. Gesunde, den Klimakapriolen gegenüber resistente Pflanzen sind wichtig, um auch bei den vorhergesagten größeren Niederschlagsmengen noch gesunde Trauben hervorbringen.

Nachgelegt: Weine mit über 20 Jahre Reife

Herr Lageder, eine kleine Vertraulichkeit zum Schluss. Sie verkaufen jetzt erlesene Weine aus der „ Weingutsreserve“, also Weine mit über 20 Jahren Reife. Wofür schaffen Sie Platz?

Wir haben vor rund zwanzig Jahren begonnen, eine kleine Charge der Lagenweine aus den einzelnen Jahrgängen zur Seite zu legen, weil ich überzeugt bin, dass Weine aus Südtirol ein großes Alterungspotential haben. Diese Eigenschaft ist ein klarer Mehrwert unserer Weine.

Zudem finde ich es wichtig, unseren Kunden auch einige ältere Jahrgänge anbieten zu können; deshalb „Rarum – erlesene Weine aus der Weingutsreserve“. Diese gereiften Weine sind wie ältere Menschen, die im Geiste jung geblieben sind. Sie haben eine ungeheure Persönlichkeit und Ausstrahlung, Charisma. Das ist eine betörende Mischung aus alt und jung, die sie im Übrigen auch zu ganz besonders geeigneten Essensbegleitern macht.

Sie werden die „Weingutsreserve“ also weiter pflegen und jüngere Jahrgänge nachlegen?

Selbstverständlich, aber wir müssen tatsächlich dafür Platz schaffen. Schon seit Jahren bittet mich mein Schwager – der Önologe und Kellermeister unseres Weingutes – darum, endlich ein paar Weine zu verkaufen, damit auch die jüngeren Jahrgänge ihren Platz in der Weingutsreserve finden. Sie sehen, wir haben noch was vor!


Website Weingut Alois Lageder

"Wir als Weinbauern versuchen natürlich, die Besonderheiten unserer Lagen in den Weinen wiederzufinden." © Alois Lageder