Spätberufener aus der Provence: Château Perreal

Auf ein Glas 2015er „Rosé des Safres"
Der 2015er „Rosé des Safres" zeigt sich an der Nase mit deutlicher, überraschend dunkler Frucht, und gewinnt dann diese typisch pfeffrige Syrah-Würzigkeit, die mit frohlockender Säure den Wein zu einer schluckweisen Frischzellenkur macht.

Wenn einer eine Reise tut, bekommt er was zu trinken. Mon Dieu sei Dank. Eine weinselige Begegnung mit einem, der ins Luberon auszog, um doch noch Winzer zu werden. Zu Besuch bei Jérôme Barancourt vom Château Perreal.

Wenn einer eine Reise tut, bekommt er was zu trinken. Mon Dieu sei Dank. Eine weinselige Begegnung mit einem, der ins Luberon auszog, um doch noch Winzer zu werden. Zu Besuch bei Jérôme Barancourt vom Château Perreal.

Es ist mittlerweile üblich, dass Freunde und Verwandte uns ihre Urlaubserlebnisse mit leuchtstarker Unterstützung eines Smart Phones präsentieren: der Rückblick auf Land und Leute als digitales Fotoalbum. Ich persönlich bevorzuge es, mir in Flaschen abgepackte Reiseerinnerungen zu Gemüte zu führen – Schluck für Schluck. Das funktioniert prächtig, vor allem wenn man die Weine vor Ort getrunken hat. Und noch besser, sobald man durch eine Region reist, die wunderbare Weine auf den Tisch bringt.

So habe ich jüngst ein paar Flaschen Erinnerung von der südlichen Rhône und aus der Provence mitgebracht. Die Landschaft zeigte sich da schon von ihrer stillen Seite, mit ersten Anklängen von gelbem und rotem Herbst. Die Weinlese lag in den letzten Zügen, nur noch wenige rote Nachzügler warteten bei stabil trockenem Wetter auf ihren Weg in den Keller. Erstklassige Traubenqualität, höre ich allüberall, allerdings bei deutlichem Rückgang der Erntemenge. „Wir haben ein Drittel weniger als in 2015 gelesen" verrät ein Winzer aus dem Luberon.
 

Vom IT-Saulus zum Wein-Paulus

An einem sonnigen, aber windgeplagten Tag bin ich mit Jérôme Barancourt und seiner Frau Nadine zum Essen verabredet. Wir treffen uns auf ihrem Weingut Château Perreal, das unweit von Saint Saturnin les Apt liegt. Erst seit 2012 sind die beiden dem Weinmachen verschrieben. Zuvor war Jérôme professioneller Vielflieger im Auftrag der französischen Telecom. Die Idee von einem kleinen Stück Land, um den eigenen Wein für den Hausgebrauch zu machen, schlummerte damals nur als idyllischer Tagtraum für die Zeit nach dem Job in ihm. Doch dann wurde ihm die viele Arbeit zuviel und Nadine und Jérôme machten sich auf die Suche nach einem Weingut. Solche Winzergeschichten hatte ich schon gehört, aber als ich das erste Mal mit Freunden auf ein Glas Château Perreal zusammensaß und mehr über die Wandlung vom IT-Saulus zum Wein-Paulus erfuhr, war die vinophile Neugier erwacht.

Wir sitzen unter einer riesigen Platane im Vorhof des großen Landhauses. Der richtige Moment für einen Rosé, den „Evaporite". Ein rares Vergnügen obendrein, nur noch wenige hindert Flaschen des „Evaporite" 2015 sind noch im Lager, dagegen ist der „Rosé des Safres" von Château Perreal bereits ausverkauft. „Und 2016 wird es nur für einen Rosé reichen, wir haben einfach zu wenig Trauben geerntet", ergänzt Jérôme. Seine Hände sind noch von der Lese gezeichnet, ihre dunklen Gerbstoffschatten lassen sie noch zupackender wirken. Nein, aus einer Winzer-Familie stamme er nicht, er komme aus der Normandie, aber Wein sei schon lange ein Thema für ihn gewesen: „Nicht nur das Trinken, sondern auch die Weinherstellung, schließlich bin ich Ingenieur!"

Aber das reicht natürlich nicht aus, weiß auch Jérôme Barancourt, und so drückt er noch einmal die Universitätsbank und studiert in Dijon Önologie. Über Praktika während des Studiums lernt er das Winzerhandwerk im Burgund, (Domaine Prieur in Meursault), im Châteauneuf du Pape (Château la Nerthe) und in Tavel (Prieuré de Montézargues) kennen. Die größte Dankbarkeit eines Schülers empfindet er gegenüber Christian Voeux von der Doamine Prieuré de Montézargues: „Er hat mir fast alles beigebracht, was ich über das Weinmachen weiß."
 

Gewissenhaftes Weingut-Casting

Erst als das Diplom in der Tasche steckt, begeben sich Nadine und Jérôme auf die suche nach „ihrem" Weingut. Eher im Süden, mit Sonne, meint sie. Wo gute Rebflächen noch erschwinglich sind und das Potential für gute Weine vorhanden ist, denkt er. Es entsteht eine Liste mit Weingütern in verschiedenen Anbaugebieten, die die Eheleute gewissenhaft abarbeiten. Das eine Wochenende schaut sich Jérôme vor Ort um und Nadine bleibt bei den Kindern, am folgenden Wochenende ist es umgekehrt. Am Ende des Weingut-Castings fällt die Wahl auf Château Perreal: Er macht jetzt seinen Wein, sie ist Herrin über die 600 Oliven- und 150 Mandelbäume.

Das Gut umfasst 54 Hektar, davon sind jedoch nur 11 Hektar dem Wein gewidmet. Die restlichen Hektar verteilen sich auf die Oliven- und Mandelbäume, etwas Weizen und Wald. Auf gut der Hälfte der Rebfläche steht Syrah, rund 20 Prozent nimmt Grenache ein, der Rest setzt sich aus Mourvèdre und – Überraschung – Cabernet Sauvignon sowie ein wenig Cinsault und Sauvignon Blanc zusammen. Im vergangenen Jahr produzierte das Weingut rund 42.000 Flaschen, der aktuelle Jahrgang wird deutlich dahinter zurückfallen. „Vielleicht nur 35.000 Flaschen", schätzt Jérôme, und schenkt den letzten Schluck Rosé ein. Der 2015er „Evaporite", der in unseren Gläsern funkelt, ist als Urlaubserinnerung bereits vorgemerkt. An der Nase zeigt er sich mit deutlicher, überraschend dunkler Frucht, und gewinnt dann diese typisch pfeffrige Syrah-Würzigkeit, die mit frohlockender Säure den Wein zu einer schluckweisen Frischzellenkur macht.
 

Cabernet Sauvignon aus dem Luberon

Das Sortiment umfasst noch einen weiteren Rosé, den „Rosé des Safres", mit dem „Chênes Blancs" einen reinen Sauvignon Blanc und vier Rotweine: „Ocre Rouge", „Truffières", „Gravières" und „Dolomite". Besonders spannend ist der „Ocre", von dem wir den 2013er und den 2015er auf dem Tisch haben, und der sich in den beiden Jahrgängen sehr unterscheidet. Einmal ist da eine klassische AOC Ventoux-Cuvée aus Syrah und Grenache im Glas, die noch ein wenig Zeit benötigt (2015). Der 2013er überrascht dagegen mit 50 Prozent Cabernet Sauvignon, weshalb er sich nur Vin de France nennen darf. Eine ungewohnter Weinstil für diese Region, die aber mit 40 Prozent Syrah und zehn Prozent des so sehr geliebten Mourvèdre klar rauszuschmecken ist. Der 2013er kann auch schon ins Glas, obgleich ihm etwas Geduld sicherlich nicht schadet. Ein Wein, eine Entdeckung, die ich meinem werten Kollegen Weinlakai apportieren werde. Schließlich will auch ich meine Urlaubserinnerungen teilen.

Noch aber schreite ich mit Jérôme durch die wunderschöne Landschaft, links der weite Blick in Richtung Süden und rechts des Weges eine alte Eiche, in deren Mitte ein Baumhaus auszumachen ist. Das sei das Revier der beiden Kinder und es dürften auch nur Kinder das Haus betreten. Macht nichts, der Blick in die Kellerei interessiert mich mehr. Auf Nachfrage erklärt Jérôme, dass sie die beiden Jüngsten, elf und 13 Jahre alt, nicht gefragt hätten, ob sie aus der großen Stadt ins abgelegene Luberon ziehen wollten. Aber, ergänzt er mit mit ironischer Betonung, angesichts von Pool und Baumhaus sowie einem Vater, der endlich Zeit habe, bestände für Raphael und Nicolas sicherlich kein Grund zur Klage. Und die beiden Älteren, Zwillinge von 22 Jahren, seien schon aus dem Haus.
 

Aus Überzeugung

Bereits vor Erwerb der Rebflächen war für Nadine und Jérôme klar, dass sie ihren Wein biologisch an- und ausbauen wollen. Der Einstieg in die Zertifizierung erfolgte also prompt und vor wenigen Tagen traf tatsächlich die offizielle Urkunde ein. Und nochmals: Auf Château Perreal ist der biologische Anbau eine Konsequenz der Überzeugung, keine des Marketings. Überhaupt gewinnt man den Eindruck, dass Überzeugung die eigentliche Antriebsfeder Jérômes ist. Aus Überzeugung an ein besseres Leben mit dem Gewohnten komplett brechen. Aus Überzeugung alle Entscheidungen beim Ausbau des Weines selbst in der Hand zu behalten. So verzichtet Jérôme auf die Beratung durch einen Önologen, der immer seine eigene Stilistik in die Weine bringe und nicht die eigene des Châteaus oder gar des Weingutbesitzers, der dort das ganze Jahr neben den Reben steht. „Aber dafür habe ich es nicht gemacht", fügt er ruhig und bestimmt an.

Und das ist auch gut so, denke ich mir, besorge mir im kleinen Shop noch ein paar Flaschen Urlaubserinnerung und verabschiede mich von der Familie Barancourt. Als ich die Allee aus Zypressen und Oliven entlangfahre, die vom Château Perreal zur Landstraße zurückführt, schweift der Blick noch einmal über die Hügel und den nahen Wald. Die Sonne der Provence lächelt nachsichtig und wärmt mir bereits die Vorfreude auf den ersten melancholischen Abend in der herbstlichen Heimat. Dann werde ich mir nämlich ganz antizyklisch eine Erinnerung „Evaporite" aufmachen – aus Überzeugung.

 

Mitgenommen für die Erinnerungsarbeit

Evaporite, 2015, Rosé, AOC Ventoux
Ocre Rouge, 2013, Rot, Vin de France



PS: Wer will, kann auch auf dem Weingut Urlaub machen, und in einem der vier Gîtes logieren. Mehr darüber und die Weine verrät die Website (auch auf englisch).
 


Michael Stolzke/Auf ein Glas
 

Spätberufener Winzer: Jérôme Barancourt
Vom IT-Saulus zum Wein-Paulus wandelte sich Jérôme Barancourt vom Château Perreal.
AOC Ventoux und Vin de France: das Sortiment
Das Sortiment umfasst zwei Rosés, einen Weißwein und vier Rotweine.