Gin Kombinatorik daheim: Berlin auf dem Land

Die vier Gins auf einem Blick: Berlin Distillery

Ich war vernünftig und blieb brav zuhause im Bergischen Land. Den tropischen Anwandlungen des Sommers setzte ich das Spiel mit der Frische des Gin Tonics entgegen. Ein der Pandemie geschuldeter Nachtrag.

Kann es sein, dass ein Sommer um so länger erscheint, je heißer er sich anstellt. Mit Wetterkundlern und Klimaforschern mag man das nicht diskutieren, in meiner persönlichen Wahrnehmung jenes heimischen Corona-Hochs war es jedoch mehr als plausibel. Denn zweifellos gab es in den diesen Wochen genügend sonnige Gelegenheit, um sich dem Frischewunder Gin Tonic in aller räkelnden Ausgiebigkeit auszuliefern. Die sich so angenehm wiederholende Verlockung, den heißen, pandemischen Tag mit einem coolen Gin Tonic zu kontern, fiel zumindest bei mir auf ebenso trockenen wie fruchtbaren Boden.

Um so mehr, da die Muße des Genießens gleich die experimentelle Lust am Ausprobieren mit sich brachte. Neben den üblichen Verdächtigen aus dem gepflegten Barschrank kam daher auch die freundliche Flaschenpost der Berlin Distillery zum Einsatz. Gleich in vier Geschmacksrichtungen hat sie bei mir Eingang in das sommerliche Gin-Laboratorium gefunden. Vier Varianten, weil die Berliner mit ihrem Gin unterschiedlichen Gelegenheiten und Anlässen zu pass kommen wollen: Sundown Gin, Berliner Nacht Gin, BBQ Gin und – tatsächlich – Beelitzer Spargel Gin.

Bis auf den letztgenannten kamen alle Gins im angeregten Kontext ins Glas. Erst pur, um die sensorische Fährte aufzunehmen. Dann als Gin Tonic, um das Sommerformat abzuprüfen.

Ice, Ice, Baby!

Ein tiefgekühlter Exkurs tut not. Denn zur Sommerzeit zählt die Eigenproduktion von besonderen Eiswürfeln zum persönlichen Pflichtprogramm. Aus Eistee, Kräutersud und was einem sonst noch aromatisch in den Sinn kommt. Das passt zum nächsten saisonalen Umstand. Im Garten laufen die mediterranen Kräuter – allen voran Rosmarin und Thymian – zur Hochform auf. Heimatliches kommt hinzu: Minze, Melisse, Waldmeister. So komplettiert sich das Gin-Laboratorium. Und natürlich lasse ich mich auch auf unterschiedliche Tonic Water ein, um dem Gin auf die Spur zu kommen. Soviel Spaß muss sein.

Gezählt habe ich nicht, wie oft ich die Gins aus Berlin meiner Kombinatorik von klassisch bis bizarr unterzogen habe. Aber es geht hier nicht um Statistik, sondern um angewandte Sensorik. Mir ist zuerst an geschmackserkundender Spielerei und selbstverständlich immer am Spaß im Glas gelegen.

BBQ-Gin: Glücksmomente für den kühlen Kopf

Jetzt bloß nicht mit Verkostungsnotizen langweilen. Davon gibt es genug, und man macht sie am besten immer selber. Stattdessen möchte ich ein paar Glücksmomente teilen, also Kombinationen im Glas, die außerordentlich gefallen haben – auch doppelt geprüft in der Wiederholung. Dies vorab, mein Favorit auf Dauer war der etwas rauere BBQ-Gin. Sogar und vor allem ohne beiläufiges Grillgut, denn er ist es, der auch in aromaintensiveren Konstellationen mithält. Zum Beispiel in der Kombination mit Mediterranem Tonic Water, Eiswürfeln aus Sud von Zitronenmelisse und frischem Rosmarin dazu. Selbst meinen tapsigen Lavendel-Versuchen hielt der BBQ-Gin tapfer stand.

Noch so ein Highlight habe ich bei meiner Sundowner-Serie entdeckt: mit den Melisse-Eiswürfeln, einem Schuss roten Wermuts und vollkommen bravem Tonic Water. Lässig und smooth, aber mit versteckter Wucht. Also bitte Vorsicht bei der Dosierung.


Spargelloser Spargel-Gin: Besser spät als nie

Mit dem Spargel-Gin – dem Beelitzer, Entschuldigung – habe ich mich anfangs schwergetan. Mangels Gelegenheit, aber auch angesichts zu sehr gerösteter Vorstellungskraft. Letztlich war es seine Eigenwilligkeit, die mir ein angenehm bitteres Geschmacksfenster geöffnet hat. Bei Abendtemperaturen um die 30° Celsius lief er mit erdiger Gurke und gewaldmeistertem Eis zu absoluter Hochform auf. Zurückhaltend dosiert, mit ebenso zurückhaltendem Tonic aufgefüllt und einer halben Limettenscheibe bestückt. Ein erprobter Lebensretter bei drohender Schnappatmung zu tropischen Nächten. (Ernsthaft).

Ein wenig ging im Sommerlaboratorium der Berliner Nacht Gin unter. Eigentlich kein Makel, denn er ist deutlich der gefälligste der vier Gins. Er will es glatt und schnell, macht jede einfache Rezeptur mit und hat so seine eigene Underdog-Eleganz. Als Anregung von meiner Seite: Etwas Cointreau zum Gin, Rosmarin Zweig dazu und eine bittere Zitronenlimonade als Filler.

Gespräch mit Jan Kreutz: Ohne Worte

Nachdem ich auf diese kreativen Abwege geraten war, erschien noch einmal Klartext vonnöten. Geht am besten, wenn ich den Mann hinter der Berlin Distillery, Jan Kreutz, direkt dazu befrage. Dachte ich zumindest. Doch das ging dann nicht, weil der Zeiten Ungemach dazwischenfunkten. Aber das Gespräch mit Jan Kreutz lässt sich ja nachholen, zumal die Berlin Distillery mit dem Urban Garden Gin bereits eine weitere Geschmacksrichtung nachgelegt hat und weitere Projekte in der Pipeline sind. Bis dahin verkrieche ich mich weiterhin im Bergischen – samt Laboratorium – und drücke der Hauptstadt die Daumen. Cheers.


 

Michael Stolzke/Auf ein Glas